Leben hinter Betonmauern…

… ein glückliches und vor allem gesundes 2020, so endet unser letzter Beitrag! Für uns alle kommt es jedoch ganz anders als geplant und so hat jeder auf eine andere Art und Weise die letzten Monate erlebt und verbracht.

Mitte März sitzen wir mal wieder nach getaner Arbeit in unserem Stammlokal hier im Hafen und genießen unser Mittagsmenü, als plötzlich der stets laufende Fernseher auf ganz laut gestellt wird und die Spanier sich um den Fernseher scharen. In diesem Moment wird uns klar, dass sich ab jetzt alles dramatisch entwickeln wird. Der Ausnahmezustand ist ausgerufen und ab nächsten Morgen gilt in Spanien eine allgemeine Ausgangssperre. Wir entschließen uns auf dem Schiff zu bleiben und an Bord das weitere Geschehen zu beobachten. Die letzten Flieger von Barcelona in die Heimat fliegen über uns hinweg und es kehrt im Hafen eine gespenstische Stille ein. Wir sitzen in der Falle…. dieses Gefühl beschleicht uns unweigerlich und als unser französischer Nachbar von merkwürdigen Symptomen und hohem Fieber berichtet, haben wir zwei emotional stressige Wochen vor uns. Drei Tage vorher hatte Martin ihn noch vom Flughafen in Barcelona mit unserem Auto abgeholt. Bei prasselndem Dauerregen sitzen wir vier Tage unter Deck und beobachten unsere Gesundheit. Hat man sich angesteckt oder hatte man Glück? Nach drei Wochen voller Bangen lässt sich unser Nachbar wieder an Deck blicken und wir können aufatmen. Täglich halten wir mit ihm per WhatsApp Kontakt und erleben somit unmittelbar seinen schweren Krankheitsverlauf mit sehr hohen Fieberschüben und Atemnot. Kaum genesen erfährt er von seinem französischen Freund, dass er den Kampf gegen das Virus verloren hat und in Belgien mit 41 Jahren, ohne jegliche Vorerkrankungen und sogar Sportler und Marathonläufer, gestorben ist. Es ist eine deprimierende Zeit und die Infektionszahlen in Spanien gehen kontinuierlich steil nach oben.

Eigentlich fängt das neue Jahrzehnt bei Raketen und Sekt inmitten südländischer Lebensfreude in unserem griechischen Stammlokal „Samos“ bei Hristo in Berlin richtig gut an und so fliegen wir Ende Januar für eine Woche zur weltweit größten Bootsausstellung nach Düsseldorf. Kaum in Düsseldorf gelandet, beschleicht uns beim Blick auf die Wetterkarten ein mulmiges Gefühl, denn das anfangs harmlose Tief “Gloria“ scheint sich zu einem Problem für die spanischen Häfen zu entwickeln. Auch der Besuch am Messestand vom „Wettergott“ Menno Schrader verheißt nichts Gutes! Wir überlegen ernsthaft, ob einer von uns für zwei Tage die Messe unterbricht und unserem Schiff beisteht. Telefonisch lassen wir uns jedoch von unseren Nachbarn vor Ort beruhigen, die auf unser Schiff aufpassen wollen. Trotzdem leidet das „Messefeeling“ als wir aus Spanien hören, dass Orkanböen mit bis zu 70 Knoten über unser Schiff hinwegtoben. SOLUNA kommt glücklicherweise mit kleinen Blessuren ganz gut davon, denn Bilder und Berichte aus unserem Hafen sind wirklich sehr schockierend und zeigen das ganze Ausmaß der Katastrophe. Bis zu 14 m hohe Wellen rollen gegen unsere Außenmole und schlagen teilweise über die hohen Betonmauern.

Unser Messeterminkalender ist mit Firmenbesuchen und Treffen im Freundeskreis gut ausgelastet und abends beim Bier kommen wir gemeinsam ins Schwärmen, denn jeder erzählt von neuen Plänen für 2020. Diesmal wird unsere Bordkasse nicht besonders gestresst, nichtsahnend das noch eine heftige Sonderausgabe in diesem Jahr folgen wird.

Kaum wieder in Spanien gelandet machen wir uns, durch viele neue Anregungen auf der Messe hochmotiviert, gleich an unsere „geliebte“ ToDo Liste. Für interessierte Segler ein kleiner Auszug (wir hatten zu dieser Zeit ja noch den Druck bis spätestens Anfang Mai fertig zu werden) aus unserem Arbeitsprogramm:

  • Einbau von zwei Hauptschaltern an den Starter -und Verbraucher Batteriebänken mit Extra Absicherung für Solar und Wind an den Verbraucherbatterien.
  • Einbau eines neuen 16 „B&G Plotters im Cockpit und Umbau des 13“ B&G Plotters in die Navigationsecke. Beide Systeme werden so geschaltet, daß sie im Notfall unabhängig voneinander genutzt werden können.
  • Schlauchboot Reinigung und Wartung an der Pier. Zum besseren Schutz bringen wir von unten im Heckbereich ein zusätzliches Laminat auf.
  • Ankerkette an Land überprüft, neue Längenmarkierungen angebracht und die Kette umgekehrt zurück in den zuvor gereinigten Ankerkasten gehievt.
  • Cockpittisch neu lackiert
  • Erneuerung der beiden Mischventile für Frischwasser im Ankerkasten und in der Heckluke. Zufluss für den Decksanschluss der Seewasserpumpe verändert.
  • Einbau einer Doppel- USB Anschlussdose im Schwalbennest im Cockpit.
  • Wartung der Ankerwinsch und Kontrolle der vier Befestigungsbolzen.
  • Riggcheck und Austausch der 3 Farbenlampe im Top.
  • Reinigungs- und Konservierungsarbeiten im Motorraum
  • Instandsetzung und Überprüfung der Feuerlöschanlage im Motorraum und Einbau einer neuen elektronischen Steuerung mit neuer Schmelzpunktleitung.
  • Reinigung des Teak Cockpitbodens und Kontrolle der beiden Lenzabflüsse.
  • Erneuerung der Elektrokabel für die beiden Navi-Lampen am Bugkorb.
  • Neue Dichtungen für die Verkleidungen der vier Außenlüfterschächte vom Maschinenraum.
  • Reinigung- und Konservierung Gasflaschenkasten.
  • Yanmar-Vertragswerkstatt reinigt an Land die Kühler für Motoröl, Frischwasser und Getriebeöl. Der Krümmer für die Abgas-Seewasser-Einspritzung wird erneuert und der Turbolader gereinigt.
  • Wartung Hauptmaschine.
  • Kontrolle sämtlicher Schlauchschellen am Generator.

In dieser „Vorcoruna – Zeit“ machen wir trotz aller Arbeiten am Schiff mit dem Auto tolle Ausflüge in die Umgebung, in die Pyrenäen, in den Gaudi Garten und schaffen diesmal endlich auch den Besuch der beeindruckenden Klosteranlage Montserrat, die vom Schiff aus mit dem Auto in 1.5 Stunden zu erreichen ist.

Zurzeit werden wir von Freunden oft gefragt, wie nun unser „Gefängnisalltag“ abläuft, was uns im Ausnahmezustand erlaubt ist und wie wir es mit dem Proviant handhaben. Da wir voll hinter den einschneidenden und harten Maßnahmen der spanischen Regierung stehen, fällt es uns leichter die Einschränkungen hinzunehmen und sind langsam etwas entspannter, denn momentan entwickeln sich ja auch hier die Zahlen positiver. Zur Sicherheit beschließen wir sofort unseren Liegeplatz trotz hoher Kosten für ein Jahr zu verlängern um erstmal eine feste Adresse im Hafen zu haben, denn wir befürchten sonst leichter ausgewiesen werden zu können. Unter strengsten Hygiene Gesichtspunkten kauft Susanne (nur eine Person ist erlaubt) noch einmal beim Aldi hier in der Nähe mit dem Auto ein. Die Packungen für den Kühlschrank werden mit Seifenlauge in der Dusche abgewaschen und der Rest bleibt für 2 Tage als Schleuse im Auto. Wir schaffen es tatsächlich sieben Wochen nicht mehr einzukaufen.

Nur noch Äpfel und Zwiebeln bleiben bald als Vitaminspender übrig. Es wird mit dem Bordproviant experimentiert und so kommen teilweise völlig neue Kombüsenideen auf den Tisch. Zur Überwachung des strikten Ausgangsverbots werden von den spanischen Behörden Schnellboote, Hubschrauber, Polizeiautos und Streifen zu Fuß eingesetzt.

Die Strafen bei Nichtbeachtung sind heftig. Als Motivation zur Bewegung dient der Schrittzähler auf dem IPhone.

Wir nutzen eine Strecke von 15 Metern in jede Richtung vor dem Schiff (zur Not kann man diese Bewegung jederzeit als Kontrolle der Leinen deklarieren) und haben abends teilweise beachtliche Erfolge auf dem Schrittzähler. Seit 10 Tagen dürfen wir nun morgens zwischen 6 und 10 Uhr und abends zwischen 20 und 23 Uhr im Umkreis von einem Kilometer einen Spaziergang machen.

Morgens Strandspaziergang und abends geht’s an die „Wlan Tankstelle“. Unser geliebtes Stammlokal hier im Hafen hat sein WIFI angelassen und durch die Scheibe können wir nun Filme runterladen und abends im Bordkino sehen. Für uns ein großer Fortschritt! Da Hundebesitzer übrigens von jeglicher Ausgangssperre beim „Gassi Gehen“ befreit sind, sehen wir oft an der Pier hechelnde Hunde mit Herrchen vorbeitraben. Es gibt Berichte in Spanien, dass die armen Tiere des Öfteren verliehen werden.

Unsere Planungen sind für dieses Jahr zunichte und so hoffen wir vielleicht im Spätsommer noch für ein paar Wochen auf die Balearen segeln zu können und dort wieder die neue Freiheit wenigstens am Anker zu erleben…

3 Antworten auf “Leben hinter Betonmauern…”

  1. Liebe Solunas,
    Eure Berichte sind weiterhin spannend, auch wenn ich sie selber erlebt habe. Schön wäre noch zu erfahren, wo die schönen Bilder der Pyrinäen entstanden sind. Super schön. Harald

    Gefällt 1 Person

  2. Nach unserem Telefonat mit Euch, sind wir froh, dass es Euch gutgeht.

    Wir denken an Euch wenn wir in diesem Jahr NUR auf dem Wannsee segeln.

    Gefällt 1 Person

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